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Renten steigen 2024 um 4,57 Prozent - alles gut?
Dresden, 21. März 2024 | (ks)
Eine gute Nachricht: Die Rentnerinnen und Rentner erhalten zum 1. Juli bundeseinheitlich 4,57 Prozent mehr Geld. Im November 2023 lag die Prognose für die diesjährige Rentenerhöhung noch bei 3,5 Prozent. Der Wert eines Rentenpunktes steigt auf 39,32 Euro. Das teilte das Bundesarbeitsministerium in dieser Woche unter Berufung auf jetzt vorliegende Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) und der Deutschen Rentenversicherung mit. So weit, so gut, doch wie geht es mit der gesetzlichen Rentenversicherung weiter? Können sich die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner auch in den kommenden Jahren auf ordentliche Rentenerhöhungen freuen? Und sind gute Renten sicher für die, die heute Beiträge zahlen?
Informationen rund um die Rentenerhöhung 2024
Wie ist die diesjährige Rentenerhöhung einzuordnen?
- Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung steigt die Rente bundeseinheitlich. „Arbeit ist in Ost und West mit Blick auf die Rente gleich viel wert.“ so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.
- Die Steigerung liegt über der Inflationsrate. Im Januar 2024 lag die Inflation bei 2,9 Prozent. Damit haben Rentenbezieher und -bezieherinnen gemessen an der Kaufkraft tatsächlich mehr Geld zur Verfügung. Zum Vergleich: Zwar stiegen die Renten im Jahr 2023 um 4,39 Prozent im Westen und 5,86 Prozent im Osten. Die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt lag jedoch bei knapp sechs Prozent.
- Das dritte Jahr in Folge beträgt die Rentenerhöhung mehr als vier Prozent.
Für eine Standardrente, auch Eckrente genannt, mit Durchschnittsverdienst und 45 Beitragsjahren (2023: fiktiv rund 1.692 Euro) bedeutet die Rentenanpassung eine Erhöhung um 77,40 Euro monatlich. Die Rentenerhöhung bezieht sich auf die Bruttorente.
Kurz erklärt: Standardrente
Die Standardrente ist eine fiktive Rente und dient als Rechengröße in der Rentenversicherung. Ein Versicherter würde sie erhalten, wenn er 45 Versicherungsjahre lang stets ein Entgelt in Höhe des Durchschnittsentgelts aller Versicherten verdient und entsprechende Beiträge gezahlt hätte. Bei regulärem Renteneintritt würde seine Rente also genau mit 45 Rentenpunkten berechnet werden.
Ein starker Arbeitsmarkt und gute Lohnabschlüsse sind laut Arbeitsminister Heil die Grundlage für diese Rentenerhöhung. Denn in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung sind die Rentenerhöhungen an die Lohnentwicklung gekoppelt. In einigen anderen Ländern sind die Rentenerhöhungen dagegen an die Inflationsrate gekoppelt.
Wie wird die Rentenerhöhung festgelegt?
Das Verfahren der jährlichen Rentenanpassung ist in der Rentenwertbestimmungsverordnung gesetzlich geregelt. Die Anpassung tritt nach Zustimmung des Bundesrates zum 1. Juli eines jeden Jahres in Kraft.
Grundlage für die Berechnung ist die Rentenanpassungsformel. Von politischer Seite wird immer wieder an dem einen oder anderen Glied der Formel geschraubt, um die Renten zukunftssicherer zu machen. Grundsätzlich steigen die Renten entsprechend der Bruttolöhne und -gehälter des Vorjahres (lohndynamische Rente). Die für die Rentenanpassung 2024 relevante Lohnsteigerung beträgt laut Arbeitsministerium 4,72 Prozent. Fünf Faktoren, die in die Rentenanpassungsformel eingeflossen sind, wirken sich unterschiedlich auf die Rentenerhöhung aus.
- Bruttolohnfaktor
- Beitragssatzfaktor
- Riesterfaktor
- Der Nachhaltigkeitsfaktor
- Schutzklausel und Nachholfaktor/Ausgleichsbedarf
Auf ihrer Website erklärt die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), welche Mechanismen durch die einzelnen Faktoren wirken. Auf Website der Deutschen Rentenversicherung finden Sie ebenfalls detaillierte Informationen zur Rentenanpassung 2024.
Wichtig zu wissen ist:
- Die Renten werden auch dann nicht gekürzt, wenn die Löhne stagnieren oder sinken. Dafür sorgt die Schutzklausel. Allerdings werden theoretisch berechnete, aber nicht realisierte Kürzungen mit späteren Rentenerhöhungen verrechnet.
- Die Höhe künftiger Rentenerhöhungen wird durch den Nachhaltigkeitsfaktor gedämpft. Denn er berücksichtigt in der mathematischen Formel das Verhältnis von Rentenempfängern zu Beitragszahlern. Und das wird immer ungünstiger, weil immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner aufkommen müssen (demografischer Wandel).
- Laut Gesetz* darf das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken (Haltelinie). Dieses Mindestsicherungsniveau wäre 2024 mit 47,99 Prozent rechnerisch knapp unterschritten worden. Die Niveauschutzklausel in der Rentenanpassungsformel verhindert dies. Der aktuelle Rentenwert von 39,32 Euro wurde so festgelegt, dass ein Rentenniveau von 48 Prozent erreicht wird. Längerfristig wird jedoch das Rentenniveau – wenn nicht gegengesteuert wird – weiter sinken und könnte bei 45 Prozent landen.
* Mit dem noch zu verabschiedenden Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus soll das 48-Prozent-Rentenniveau über das Jahr 2025 hinaus bis zum Jahr 2039 garantiert werden.
Kurz erklärt: Rentenniveau
Das Rentenniveau ist ein statistisches Maß für die Rentenentwicklung. Es gibt das Verhältnis einer Durchschnittsrente zum Durchschnittsentgelt in Deutschland an. Es beziffert nicht die Höhe der individuellen Rente.
Kurz erklärt: Rentenwert
Der Rentenwert steigt ab Juli von derzeit 37,60 Euro auf 39,32 Euro. Der Rentenwert gibt an, wie viel ein so genannter Entgeltpunkt oder Rentenpunkt wert ist. Einen Entgeltpunkt pro Jahr erhält, wer brutto so viel verdient wie der Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland. Dieser Wert wird jährlich neu berechnet. Wer halb so viel verdient, erhält 0,5 Entgeltpunkte. Die maximal möglichen Entgeltpunkte pro Jahr sind durch die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung begrenzt. Für den Teil des Verdienstes, der diese Grenze übersteigt, werden keine Rentenbeiträge gezahlt.
- Vorläufiges jährliches Durchschnittsentgelt 2024:
45.358 Euro West, 44.732 Euro Ost - Beitragsbemessungsgrenze monatlich Rentenversicherung 2024:
7.550 Euro West, 7.450 Euro Ost
Alles gut? Wie geht es weiter mit den Renten(steigerungen)?
Das sagt die Deutsche Rentenversicherung
Die Deutsche Rentenversicherung berechnet in ihrem jährlichen Rentenversicherungsbericht Prognosen über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben für die nächsten 15 Jahre. Die Modellrechnungen unterliegen jedoch Unsicherheiten und sind daher vorsichtig zu interpretieren.
Nach dem aktuellen Rentenversicherungsbericht 2023 werden die Renten auch in Zukunft steigen. Allerdings dürften die Zeiten einer Über-Vier-Prozent-Steigerung vorbei sein. Eine durchschnittliche Steigerungsrate von 2,6 Prozent pro Jahr ist die momentane Annahme. Insgesamt würden die Renten dann bis 2037 um 43 Prozent steigen. Gleichzeitig stehen die Rentenkassen unter Druck, weil Millionen der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern verschlechtert sich durch den demografischen Wandel weiter, wodurch die Einnahmen der Rentenkasse sinken. Hinzu kommt, dass aufgrund der steigenden Lebenserwartung die Rentenbezugszeiten länger werden.
Nach dem aktuellen Rentenversicherungsbericht 2023 werden die Renten auch in Zukunft steigen. Allerdings dürften die Zeiten einer Über-Vier-Prozent-Steigerung vorbei sein. Eine durchschnittliche Steigerungsrate von 2,6 Prozent pro Jahr ist die momentane Annahme. Insgesamt würden die Renten dann bis 2037 um 43 Prozent steigen. Gleichzeitig stehen die Rentenkassen unter Druck, weil Millionen der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern verschlechtert sich durch den demografischen Wandel weiter, wodurch die Einnahmen der Rentenkasse sinken. Hinzu kommt, dass aufgrund der steigenden Lebenserwartung die Rentenbezugszeiten länger werden.
Kurz erklärt: Umlageverfahren/Generationenvertrag
Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland ist seit 1957 überwiegend über ein Umlageverfahren finanziert. Die erwerbstätige Generation trägt mit ihren Beiträgen die Renten der älteren Generation. Gleichzeitig erwirbt sie den Anspruch, im Alter von der dann erwerbstätigen Generation versorgt zu werden. Daher wird auch von einem Generationenvertrag gesprochen.
Und wie wird sich die Alterung der Gesellschaft auf die Beiträge zur Rentenversicherung der Erwerbstätigen auswirken? In der mittleren Variante der Vorausberechnungen des Berichts bleibt der Beitragssatz bis zum Jahr 2027 stabil auf dem heutigen Niveau von 18,6 Prozent. Damit unterschreitet er die bis zum Jahr 2025 geltende Haltelinie von 20 Prozent. Über 18,7 Prozent im Jahr 2028 steigt der Beitragssatz bis zum Jahr 2030 auf 20,2 Prozent und bis zum Ende des Vorausberechnungszeitraums im Jahr 2037 auf 21,1 Prozent.
Stabile Renten - was die Politik tut
Die Renten in Deutschland wurden durch etliche Reformen ab 1992 beeinflusst. Das betraf unter anderem die Höhe des Rentenniveaus, das Renteneintrittsalters, der Besteuerung von Renten und die Einführung neuer Rentenarten (Flexi-Rente, Mütterrente, Rente ab 63, Grundrente). Vor allem aufgrund des demografischen Wandels besteht die Gefahr, dass die Renten zukünftiger Rentner sinken, während die Beitragssätze in der Erwerbsphase steigen.
Auch die aktuelle Bundesregierung verfolgt Rentenreformpläne, um die Zukunft der Rente zu sichern und die Rentenbeiträge für die Erwerbstätigen bezahlbar zu machen. Das RV-Anpassungs- und das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wurden bereits zum 1. Juli 2022 umgesetzt. Weitere Rentenreformpakete, nämlich II und III, sollen folgen.
Auch die aktuelle Bundesregierung verfolgt Rentenreformpläne, um die Zukunft der Rente zu sichern und die Rentenbeiträge für die Erwerbstätigen bezahlbar zu machen. Das RV-Anpassungs- und das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wurden bereits zum 1. Juli 2022 umgesetzt. Weitere Rentenreformpakete, nämlich II und III, sollen folgen.
Kurzcheck Rentenpaket II - Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung (Status: vorgestellt)
- Die bestehende Haltelinie des Rentenniveaus von 48 Prozent (Niveauschutzklausel) wird über 2025 hinaus bis 2039 in der Rentenanpassungsformel belassen und entfaltet so bis zum Jahr 2040 ihre Wirksamkeit. Sowohl die heutigen als auch die künftigen Rentnerinnen und Rentner profitieren von der Verlängerung der Haltelinie für das Rentenniveau, weil ihre Renten dadurch höher ausfallen.
- Der Beitragssatz von 18,6 Prozent soll bis zum Jahr 2027 stabil bleiben.
- Er steigt voraussichtlich ab 2028 auf 20 Prozent, ab 2035 von auf 22,3 Prozent. Dieser Satz soll durch das Generationenkapital bis 2045 stabil bleiben.
- Aufbau der Stiftung "Generationenkapital" als zusätzliche Finanzierungsquelle. Der Kapitalstock wird aus Darlehen aus dem Bundeshaushalt und Eigenmitteln vom Bund gebildet. Rentenbeiträge werden nicht verwendet. Ab 2036 soll die Kapitalrendite des Generationenkapitals eine Entlastung des Beitragssatzes durch Ausschüttungen von durchschnittlich 10 Milliarden Euro p.a. ermöglichen und damit vor allem die jüngeren Beitragszahlerinnen und Beitragszahler entlasten.
Kurzcheck Rentenpaket III (Status: angekündigt)
- Einführung einer verpflichtenden Altersvorsorge für nicht obligatorisch versicherte Selbstständige. Das heißt, Selbständige sind in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sofern sie sich nicht im Rahmen eines einfachen und unbürokratischen Opt-out für ein privates Vorsorgeprodukt entscheiden.
Darüber hinaus sollen Reformen im Bereich der betrieblichen und staatlich geförderten privaten Altersvorsorge folgen.
Fazit von 1889 bis heute:
Alterssicherungssysteme sind hochkomplexe Systeme, die aufgrund demographischer, ökonomischer und sozialpolitischer Entwicklungen einem ständigen Reform- bzw. Nachsteuerungsbedarf unterliegen. Ursprüngliches sozialpolitisches Ziel der gesetzlichen Rente war ihre Lohn- bzw. Einkommensersatzfunktion zur Sicherung des Lebensstandards im Alter (und bei Erwerbsminderung). Dies zudem im Rahmen einer ausgewogenen Generationengerechtigkeit. In der Realität – und daran werden auch die Reformen nichts ändern – sichert die gesetzliche Rente für die meisten Menschen nur noch die Grundversorgung (Essen, Trinken, Wohnen) oder es droht sogar, je nach individueller Erwerbsbiografie, Altersarmut. Der Lebensstandard bleibt der individuellen zusätzlichen Altersvorsorge auf freiwilliger Basis (soweit möglich) überlassen.
„Stabile Renten sind kein Luxus, sondern seit Jahrzehnten Grundlage unserer sozialen Marktwirtschaft und Garant für Stabilität und sozialen Frieden“. Hubertus Heil
1889 begann die Geschichte der Deutschen Rentenversicherung:
"Es war ein bescheidenes soziales Netz, das Reichskanzler Otto von Bismarck geknüpft hatte – aber es war vorbildlich in Europa. Und es war mehr als überfällig, denn die Industrialisierung stürzte im 19. Jahrhundert die arbeitende Bevölkerung ins Elend. Bismarck erkannte die Gefahr. Mit diesen ersten drei Sozialgesetzen* versuchte er, die Arbeiterschaft wieder mehr an den Staat zu binden und ihre Radikalisierung zu verhindern."
"Es war ein bescheidenes soziales Netz, das Reichskanzler Otto von Bismarck geknüpft hatte – aber es war vorbildlich in Europa. Und es war mehr als überfällig, denn die Industrialisierung stürzte im 19. Jahrhundert die arbeitende Bevölkerung ins Elend. Bismarck erkannte die Gefahr. Mit diesen ersten drei Sozialgesetzen* versuchte er, die Arbeiterschaft wieder mehr an den Staat zu binden und ihre Radikalisierung zu verhindern."
* Gesetzliche Krankenversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung
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